Die Slawenburg Raddusch
Ihre Geschichte - vermutlicher Ursprung und Wanderungen
- Westliche Variante: Zwischen Oder und Weichsel
- Östliche Variante: Oberer und mittlerer Dnjepr
- Nordöstliche Variante: Zwischen Oder und Memel
- Asiatische Variante: Am Altai-Gebirge oder um den Aralsee
- Neuere Thesen: Am Nordostabhang der Karpaten (J. Udolph), Oder (V.V.
Martynow), Steppen der Ostukraine und Südrußland (Z. Golab).
Die "Ur"-Wohnsitze der Slawen waren wahrscheinlich Gebiete zwischen Warta und Dnjepr, im Süden reichten sie bis zur Donau. Das Wort "Slawe" ist erst seit dem 6.Jh. in byzantinischen Quellen überliefert. Im 5. bis frühen 6.Jh. war dann der Raum an mittlerer und oberer Weichsel von den Slawen besiedelt, Mitte des 6. Jhs. erfolgte ein Eindringen in den Balkanraum, sie dehnten sich dann im 6.-7. Jh. über weite Teile Mitteleuropas zwischen Ostsee und Mittelgebirge aus. Aufgrund der Awareneinfälle kam es zu weiteren Stammesverschiebungen im Laufe der Jh., außerdem erfolgt ein sprachlicher und kultureller Ausgleich benachbarter Stämme. So entstanden die Ostslawen (Russen, Ukrainer, Bjelorussen), Westslawen (Tschechen, Slowaken, Polen, Sorben) sowie Südslawen (Jugoslawier, Serben, Kroaten, etc.). Die Westausdehnung ist die älteste Besiedlungsrichtung, die Südrichtung war mehr abrupt und stand unter dem Einfluß politischer Veränderungen in Ost- und Südosteuropa, wie dem Zusammenbruch des Gotischen Reiches in Südrußland.
Die Sorben und Lusizer
Die Umwelt
Die Landwirtschaft
Handwerk
Raseneisenerz, Rennöfen, Schmiede als Spezialisten, die Eisenproduktion fand in den Zentren der Siedlungskammern statt, von dort aus wurden die dörflichen Siedlungen beliefert, erfüllten aber nur dringendste Bedürfnisse, da bislang wenig Eisenfunde getätigt worden sind. Sehr selten sind Buntmetalle, sehr häufig dagegen Holz. Bewohner erzeugten ihre Tongefäße offenbar selbst im Saisonbetrieb, in Tornow sind bereits Werkstätten nachweisbar. Es gab Geweih- und Knochenverarbeitung, wenig Glasschmuck, anderes war aus Glas ohnehin unbekannt. Westlich der Oder ist Glasproduktion erst seit dem 11. Jh. zu belegen. Für Holzbearbeitung existierten Werkzeuge wie Äxte, Meißel, Dechsel, Stechbeitel, Bohrer.
Wirtschaft
Die Siedlungen
In Tornow z.B. lag die Siedlung auf einer 2 ha großen lehmig-sandigen Halbinsel, an deren nördlichen Spitze sich die Burg befand.
Innere des Hauses war bescheiden eingerichtet, Schlafbänke, Hocker, Tischplatten, in Adelshäusern kunstvoll gedrechselte Betten, Wandborde für Geschirr, hölzerne Truhe, offene Herde aus Stein oder Lehm, Rauch zog offen durch Giebelöffnung ab, beleuchtet wurde Haus durch Fackeln aus Pech oder Kinspänen oder Öllampen, Fußböden waren meist gedielt, mit weißem Sand bestreut oder mit Textilien ausgelegt. Das Gebälk war teilweise verziert.
Die Burgen
Es gibt drei Burgentypen:
1. Befestigte Siedlungen von Bauern | 7.-9.Jh. |
2. Burgen der Oberschicht | 8.-9.Jh. |
3. Befestigte Siedlung als "Vorstädte" der Nichtlandwirte | ab 9.Jh. |
Burgen wurden auf Berghöhen oder Talniederungen angelegt (= Höhen- und Niederburgen), gefährdete Stellen wurden durch Palisaden, Bohlenwände, Hecken usf. geschützt, auch durch Abschnittswälle und -gräben.
Die Bestandteile einer Burg waren:
- Hauptelement war die innere Besiedlung, d.h. Bebauung der geschützten Fläche: Um Innenhof gruppierten sich Wohn- und Wirtschaftsgebäude, Kultbauten, Versammlungsstätten etc.
- Befestigungsanlage: Wehrmauer, Wall, Palisade, Graben, Tore, Türme
- Gesellschaftliche Funktion der Burg
- Stand und Erfordernisse der Kriegstechnik
- Traditionelle Bindungen und Beziehungen, denen die Burgenbauer verhaftet waren
- Landschaft, Baumaterial
Technik und Organisation des Burgenbaues:
Zunächst gab es einen Plan, die gesamte Bevölkerung baute mit, in Feldberg waren ca. 100 Arbeiter 50-80 Tage mit Wallbau beschäftigt. Für eine Burg wurden ca. 60 ha Eichenwald gerodet (für die Mecklenburg wurden z.B. 9.400 m³ Holz benötigt), 1 m³ Eichenholz benötigte 6-10 Tagwerke, für 1 m³ Erdaufschüttung wurden 1/2 bis 1 Tagwerk gerechnet ca. 75.000 - 120.000 Tagwerke für Burgbau (1 Jahr = 200 Tagwerke!), bei sehr vielen Leuten, ca. 1000, konnte somit die Burg in einem Jahr errichtet werden.
Rostbauweise: Segmentbauweise, Stämme abwechselnd längs und quer zur Wallrichtung angeordnet. Der Rost, der Zwischenraum, wurde mit Erde, Holz, Steine, Torf verfüllt, an Vorder- und Hinterfront verhinderten Asthaken ein Abgleiten der äußersten Stammlage. Die Breite betrug durchschnittlich 2,40 m, setzte man 2-3 Roste voreinander war es unmöglich, diesen zum Einsturz zu bringen, auch Feuer konnte ihm nichts anhaben. Es gab sogenannte Tunneltore mit Torflügel, Fallgitter; die Wände waren mit Balken und Bohlen ausgezimmert (z.B. Tornow); manchmal umlief ein Graben die Burg, der ca. 3-5 m breit war und häufig mit Wasser gefüllt war, auf der Wallseite standen Palisaden- oder Zaunhindernisse; ab dem 11. Jh. gab es auch einen Vorwall, um das Vorschieben von Belagerungsmaschinen zu erschweren. Der Zwang zu hohem Arbeitsaufwand bedingte zwangsläufig die Ausbildung des runden oder ovalen Baugrundrisses als rationellste Form der Burg.
Kriegstechnik und mögliche Gegner
Im Laufe der Zeit erfolgte ein Wandel in der Kriegstechnik: Durch Herausbildung befestigter Wohnsitze und gesellschaftliche Differenzierung erfolgte Verringerung der Kriegerzahl, der Großteil des Heeres mußte erst im Falle eines Krieges aufgeboten werden, Gegner waren für die Slawen das Dt. Reich und die dt. Feudalherren. Da bei Kriegszügen in Italien ein Wandel der Belagerungstechnik erfolgt war (Bau von Türmen, Sturmböden, Unterminieren) mußten die Fürsten die Burg so fest wie nur möglich anlegen, da ihr Fall den Verlust der Herrschaft über das Land zur Folge gehabt hätte. Das bedingte die Verlagerung der Burgen an Flüsse oder sumpfige Niederungen, die Befestigungsanlagen wurden kurz, breit und hoch wie nur möglich, die Wallkonstruktion wurde durch Verbundbau vervollständigt! Möglichst wenig Tore. Durch die Verwendung von Holz als Baumaterial wurde Elastizität erzielt, Rammen wurden dadurch wirkungslos, Tunnel auch nicht, da Burgen dicht über Grundwasserspiegel oder auf Fels gebaut wurden. Die einzige Möglichkeit bestand darin, die Burg zu entzünden, die meisten wurden offenbar ohnehin durch Feuer zerstört. Die Außenwände waren mit Stein, Lehm oder Schlick verkleidet. Bauerkrieger war mit Keule, Lanze, Axt oder Bogen bewaffnet, hölzerner oder geflochtener Schild. Adelskrieger war mit Schwert mit doppelter Schneide mit kunstvollen Griffen, Streitaxt, Panzerhemd, Helm (Spangenhelm), Holz- Lederschild, war beritten.
Die slawische Gesellschaft
Die unterste Ebene eines Gefildes bildete die Großfamilie = Eltern, Kinder, Enkel. Die Spitze hatte der Geschlechtsälteste inne, bei Tod ging die Führung auf ältesten Sohn über. Die Großfamilie war identisch mit Wirtschafts- oder Hofverband, er besaß eigenen Bestattungsplatz und -sitten und Hausgötter. Bei den Lusizern wohnten die Bevölkerung eng zusammen. An ihren Mittelpunkten entstanden Burgen, oder die Siedlungen wurden befestigt. Die Häuptlinge repräsentierten das Gefilde, mehrere Gefilde bildeten das Gebiet eines Stammes oder Kleinstammes = größte politische Einheit. An der Stammesspitze war der König oder Fürst. Mehrere Stämme bildeten Stammesverband mit Öberkönig. Stammesfürsten hatten immer Interesse an Machtzuwachs, da dies am schnellsten durch Krieg geht, gab es ständig Fehden mit den "lieben Nachbarn."
Im 9./10. Jh. tritt ein Wandel ein, so z.B. in Tornow nachvollziehbar: Die Großfamilien stellen die Macht dar, die Oberschicht will diese zerschlagen, in bäuerliche Einzelfamilien auflösen und ihrer direkten Kontrolle unterstellen. In Tornow wird deshalb statt der dörflichen Fluchtburg ein befestigter Adelssitz errichtet; auch findet eine Herausbildung von Siedlungen von Nichtlandwirten statt. Daraus folgte eine Tendenz zur Arbeitsteilung.
Im 9./10. Jh. gab es folgende Schichten:
- Unfrei Sklaven, Gefangene, die z.T. in Rodungsgebieten eingesetzt wurden
- Bauern, vielleicht noch nicht abhängig
- Vorsteher oder Dorfälteste, Reiterkrieger oder Dienstleute anderer Funktion
- Höherer Adel auf Burg, zieht Abgaben von Bauern, Handwerkern und anderen ein, Unfreie betreiben Eigenwirtschaften in Höfen
- Hoher Adel (Stammesverband)
- Handwerker, Kaufleute in entstehenden "Vorstädten"
Kultur
Kleidung:
Der Mann: Leinernes Unterhemd, Unterhose und darübergezogener Kittel, umgürtelt, Kinnbart, im Winter Pelz, spitze Pelzmütze
Die Frau: Kleid über Unterkleid und leinernes Hemd mit Gürtel, Lederschuhe, Haar nach hinten getragen, durch Schläfenband gehalten (Adlige hatten schulterlanges Haar).
Ab 9.Jh. Schreiben bekannt, Griffelfunde, ab 10.Jh. Ausbildung eigener Schriftkultur, zunächst Ritzungen, ab 12. Jh. dann Mitellatein.
Religion
Nur die Mitglieder der Gesellschaft gehörten der Kultgemeinschaft an. In Großfamilien gab es daneben auch Hausgötter, jede Großfamilie hatte eigenen Bestattungsplatz. Bis 9./10. Jh. wurde verbrannt, bei Verbrennen wurde Klagelieder gesungen, zuweilen Trauertänze aufgeführt und ein Totenmahl abgehalten, die Asche des Toten gab man in eine Urne, die vergraben wurde oder in Hügelgräber kam. In der Lausitz deponierte man die Urne auf der Kuppe eines flachen Hügels. Man verbrannte den Toten mit Ausrüstung, Kleidung, Schmuck, da Fortlebenglaube. Ab dem 9./10. Jh. setzte sich Körperbestattung durch.
Das Beispiel Tornow, Kr. Calau - Die Burg
Burg B ist diejenige, die der Burg von Raddusch in ihrem Aussehen her am nächsten kommt.
Größe:
Breite des Walls 10-14 m an der Basis, Breite der Berme 2-3 m, Graben 5-8 m, kreisförmiges Areal von ca. 38,90 a (Befestigungen 34,40 a/Innenhofnutzfläche 4,52 a), Höhe des Erdwalls heute 4-5 m, Wall der Burg B damals ca. 8-9 m.
Innenbauten:
Ein Tor im Süden auf der der Siedlung zugewandten Seite. 19 Anbauten (Speicher) waren eng in Zusammenhang mit der Wallhinterfront errichtet worden, diese bildeten gleichzeitig die wallseitige Begrenzung der Bauwerke; die im Blockverbund mit dieser Rückwand verbundenen Querwände bildeten die Querwände der Bauten. Zum Innenhof waren diese z.T. abgeschlossen, vielleicht durch eine Wand in Blocktechnik. In den Gebäuden standen offenbar in größerer Höhe (Zwischendecke bei 1,8-2 m) Mühlen, Getreide, Gefäße, Höhe des gesamten Obergeschoßes unbekannt; Bedachung mit Balken oder Bohlen (Schindeln).
Inhalt der Speicherbauten: Lehmwannen etc. . . im Obergeschoß, dienten zur Getreideaufbewahrung, ebenso Tongefäße für Honig, Fett, Wachs usw. . .aber auch in fast jedem Speicher standen Drehmühlen.
Bewohneranzahl:
Ca. 10-20 Menschen, gliederten sich in Bewohner des Zentralgebäudes (Burgherr) und in Bewohner der drei Unterkünfte (Gefolgschaft).
Ähnliche Burgen auch in Vorberg, Wiesenau, Schönfeld, Presenchen.
Nach Ausweis der botanischen Funde herrschte in Tornow auf den Feldern der Fruchtwechsel, die Art der Getreidezusammenstellung und ihrer Einbringung deutet darauf hin, daß das Getreide nicht einer größeren Fläche entstammt, sondern von vielen kleinen Wirtschaften; verschiedene Gefäßgrößen stehen in diesem Zusammenhang für die Höhe der Leistungen, die diese Wirtschaften zu erbringen hatten.
Gesellschaftsstrukturell handelt es sich bei den Bewohnern von Tornow um eine einfach organisierte Grundherrschaft, die von einem Grundherrn und seiner kleinen Gefolgschaft aufrecht erhalten wurde, die ökonomischen Grundlagen bildeten die bäuerlichen Eigenwirtschaften. Außerdem entwickelte sich n der Siedlung um die Burg eine handwerkliche Spezialisierung.
Literatur
- J. Herrmann, Die Welt der Slawen. Geschichte, Gesellschaft, Kultur (Leipzig/Jena/Berlin 1986).
- Ders., Tornow und Vorberg. Ein Beitrag zur Frühgeschichte der Lausitz. Schr. d. Sekt. F. Vor- u. Frühgesch. 21 (Berlin 1966).
- Ders., Die Slawen in Deutschland (Berlin 1985). (Abb. 9 = S. 74, Abb. 20; Abb. 10 = S. 72, Abb. 19; Abb. 2 = S. 179, Abb. 80; Abb. 15 = S. 255, Abb. 124)
- Ders., Zwischen Hradschin und Vineta. Frühe Kulturen der Westslawen (Leipzig/Jena/Berlin 1971). (Abb. 13 = S. 28 Abb. 8; Abb. 5 = S. 32 Abb. 4)
- Ders., Die Slawen in Deutschland. Geschichte und Kultur der slawischen Stämme westlich der Oder und Neiße vom 6. Bis 12. Jahrhundert. Ein Handbuch. Veröff. d. Zentralins. f. Alte Geschichte u. Arch. d. Akad. d. Wiss. d. DDR 14 (Berlin 1985).
- H. Kunstmann, Die Slawen. Ihr Name, ihre Wanderung nach Europa und die Anfänge der russischen Geschichte in historisch-onomastischer Sicht (Stuttgart 1996).
- M. Ullrich, Die Ausgrabungen einer slawischen Befestigungsanlage in Raddusch, Kr. Calau. In: E. Cerna, Archaeologische Rettungstaetigkeit in den Braunkohlegebieten und die Problematik der siedlungs-geschichtlichen Forschung (Prag 1987) 93-98.
- Ders., Raddusch, Kr. Calau - Die Untersuchung einer slawischen Wallburg im Tagebauvorfeld. In: B. Gramsch/G. Wetzel, Archäologische Erkundung und Rettungsarbeit in Tagebaugebieten Mitteleuropas. Veröff. Mus. f. Vor- u. Frühgesch. Potsdam 25 (Berlin 1991) 153-154.
Alle nichtzittierten Abbildungen stellte uns dankenswerterweise Frau Dr. H. Bönisch, Brandenburgisches Landesmuseum für Denkmalpflege, Archäologisches Landesamt, Referat Braunkohle zur Verfügung.